Zurzeit wird durch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) ein bundesweit einheitliches digitales Sprech- und Datenfunksystem für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (Digitalfunk BOS) in der Bundesrepublik Deutschland nach dem TETRA-Standard aufgebaut. Der aktuelle Kenntnisstand zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Technik aus der Fachliteratur wird im Folgenden kurz zusammengefasst.
Bisheriger Kenntnisstand aus der Literatur
Das britische „National Radiological Protection Board“ hat 2001 einen Bericht zu möglichen gesundheitlichen Einflüssen von TETRA verfasst und weitere Forschung empfohlen (NRPB, 2001). Da das TETRA-Signal mit 16 Hertz (Hz) gepulst ist, sollten auch mögliche Einflüsse dieser Pulsung untersucht werden. Inhaltlich konzentrierte man sich auf neurophysiologische Einflüsse auf Zellebene, es wurde die elektrische Aktivität von Zellen des Herzmuskels und des Gehirns sowie die neuronale Aktivität von Hirnschnitten unter TETRA-Exposition untersucht. Hierbei wurde bei einem SAR-Wert von 0,4 Watt pro Kilogramm (W/kg) kein Effekt gefunden (Green et al., 2005). Der ausgewählte SAR-Wert beruht auf Messungen im homogenen Phantom und soll der realen Exposition im Gehirn entsprechen. In einer Probandenstudie wurde bei 120 gesunden Testpersonen kein Einfluss von TETRA auf den Blutdruck, die Blutparameter und das Herz-Kreislaufsystem gefunden (Barker et al., 2007).
Britische Probandenstudie zu Kognition
In Großbritannien wurde eine Probandenstudie (Smith et al., 2005) zu Kognition unter Exposition mit TETRA-Endgeräten durchgeführt; diese ist bisher nicht in einer begutachteten Fachzeitschrift publiziert, der Abschlussbericht liegt aber vor. Es wurden 40 erwachsene gesunde Männer untersucht. In den Situationen TETRA links oder rechts am Kopf (1,4 Watt pro Kilogramm, gemittelt über 10 Gramm Gewebe) sowie Scheinexposition links oder rechts am Kopf haben alle Probanden im Abstand von jeweils einer Woche drei Serien kognitiver Tests durchgeführt. Insgesamt wurden 22 Tests aus den Bereichen Reaktionszeiten, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis durchgeführt. Zusätzlich wurden die Befindlichkeit und das Auftreten eventueller Symptome abgefragt.
Es zeigten sich drei signifikante Veränderungen unter TETRA-Exposition. Die Durchführung einer hohen Anzahl von Einzelvergleichen führt jedoch zu einer Häufung zufälliger falsch positiver Ergebnisse. Wird dies in der statistischen Auswertung berücksichtigt, verbleibt ein statistisch signifikantes Ergebnis. Dieses zeigte eine verschlechterte Leistung des verbalen Gedächtnisses, die aber ausschließlich bei rechtsseitiger Exposition auftrat. Die verbale Informationsverarbeitung ist aber in der linken Hemisphäre lokalisiert. Eine direkte Wirkung einer rechtsseitigen Exposition auf einen in der linken Hemisphäre lokalisierten Gedächtnisbereich ist als eher unwahrscheinlich einzustufen. Da andere Tests zum Gedächtnis keinen Effekt zeigten, ist dieses Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren. Das EEG wurde in dieser Studie nicht untersucht.
Britische Studie zu verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden
Eine weitere britische Probandenstudie (Nieto-Hernandez et al., 2010) befasste sich mit der Frage, ob TETRA-Endgeräte das Auftreten von gesundheitlichen Symptomen hervorrufen können. Es wurden 60 gesunde Testpersonen untersucht, sowie weitere 60 Personen, die angaben, unter Symptomen zu leiden, die sie auf die Nutzung von TETRA-Endgeräten zurückführten. Die Untersuchungen wurden unter den Anforderungen an eine Doppelblindstudie (weder die Testperson noch die Forscher wussten, wann eine Exposition stattfand) durchgeführt. Bei einem SAR-Wert von 1,4 Watt pro Kilogramm (gemittelt über 10 Gramm Gewebe) wurde ein typisches TETRA-Signal (mit 16 Hertz gepulst) und ein ungepulstes Signal gleicher Trägerfrequenz (385,35 Megahertz) für 50 Minuten eingesetzt. Zusätzlich wurde eine Scheinexposition durchgeführt. Es wurden acht verschiedene Symptome und der Gemütszustand abgefragt.
Während der Exposition mit ungepulstem Signal traten in beiden Gruppen verstärkt Kopfschmerzen auf. Weiterhin berichtete die nicht-sensitive Gruppe über steigende Müdigkeit und die sensitive einerseits über Konzentrationsschwierigkeiten, andererseits über verminderten Juckreiz. Während einer Exposition mit dem gepulsten Signal traten von all diesen Symptomen nur Konzentrationsschwierigkeiten auf. Nach einer statistischen Korrektur für wiederholte statistische Tests war das einzige verbleibende signifikante Ergebnis ein verminderter Juckreiz. Der Gemütszustand der Testpersonen änderte sich infolge der Exposition nicht. Keiner der Studienteilnehmer konnte unterscheiden, ob er gerade exponiert wurde oder nicht. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass das gepulste TETRA-Signal keine gesundheitlichen Symptome hervorruft, möglicherweise aber das ungepulste Signal.
Prospektive Kohortenstudie in Großbritannien
Weiterhin wird in Großbritannien eine prospektive Kohortenstudie an bis zu 100.000 Nutzern von TETRA-Endgeräten mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bis 2018) durchgeführt. In dieser Studie werden Krebserkrankungen, die allgemeine Mortalität und weitere Erkrankungen untersucht. Eine Pilotstudie wurde bereits in den Jahren 2003 – 2005 durchgeführt (Airwave health monitoring programme, Pilot Report, 2006). Hierbei wurde in zwei Bezirken auch eine sehr ausführliche Expositionsbestimmung der Nutzer durchgeführt.
Britische Studien zum Signal von Basisstationen
Zusätzlich zu Studien zu den Auswirkungen der Endgeräte wurden in Großbritannien unter Laborbedingungen auch die Auswirkungen eines simulierten Signals einer Basisstation untersucht (Wallace et. al., 2010 und 2011). Dafür wurden etwa 130 Gesunde und 50 Personen mit Symptomen, die subjektiv auf eine TETRA-Exposition zurückgeführt wurden (Elektrosensible), rekrutiert. Es wurden das Wohlbefinden und das Auftreten von Symptomen, die kognitive Leistungsfähigkeit und der Kreislauf untersucht. Ein Teil der Untersuchungen wurde entsprechend den Anforderungen an eine Doppelblindstudie und der andere Teil in Form eines offenen Provokationstests durchgeführt. Im Fall des offenen Provokationstests wussten alle Beteiligten von der Exposition.
In dem offenen Provokationstest (Wallace et al., 2010) fühlten sich Elektrosensible deutlich schlechter und empfanden mehr Symptome als Gesunde. In der Doppelblindstudie gab es zwischen beiden Gruppen keinen Unterschied. In keiner der Gruppen konnten Personen erkennen, wann die Basisstation eingeschaltet war. Elektrosensible hatten allgemein - und verstärkt während des offenen Provokationstests - einen höheren Puls als gesunde Testpersonen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht die Exposition selber, sondern die Kenntnis oder die Vermutung einer Exposition mit einer daraus resultierenden Erwartungshaltung die Symptome verursacht.
Zusätzlich wurden unter doppelblinden Bedingungen computergestützte Kognitionstests zu Gedächtnis und Aufmerksamkeit durchgeführt (Wallace et al., 2011). Unter TETRA- oder Scheinexposition wurden verbale und visuelle Gedächtnisaufgaben und mathematische Aufgaben gelöst. Es zeigten sich keine Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen den Gruppen und kein Einfluss der Exposition.
Dänische Studie zur Kognition
Eine weitere Studie zu Kognition wurde in Dänemark durchgeführt (Riddervold et al., 2010). Es wurden 53 junge, gesunde männliche Probanden rekrutiert und 45 Minuten entweder mit TETRA exponiert (420 Megahertz, 2 Watt pro Kilogramm) oder scheinexponiert (nach Zufallsprinzip, doppelblind). Es wurden Kognitionstests durchgeführt (Gedächtnisleistung, Reaktionszeit) und es wurde das Wohlbefinden abgefragt.
Es wurden keine signifikanten Unterschiede infolge der Exposition gefunden, weder bei den Kognitionstests noch beim Auftreten subjektiver Symptome. Der von Smith und Mitarbeitern (2005) beschriebene Einfluss auf das Gedächtnis konnte in dieser Studie nicht bestätigt werden. Die Testpersonen konnten nicht unterscheiden, wann sie tatsächlich exponiert waren und wann nicht.
Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
In Deutschland hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mehrere Studien zu TETRA-Endgeräten durchgeführt. Diese sind aber bisher nur als Tagungsbeiträge veröffentlicht (Eggert et al., 2002; Ullsperger et al., 2003). Es wurden Kognitionstests (Reaktionszeiten, Gedächtnis) durchgeführt, durch Bewegung hervorgerufene Hirnpotentiale abgeleitet und das Verhalten während einer Ruhesituation (autokinetischer Lichttest) untersucht. Junge, gesunde Probanden im Alter von 20-30 Jahren nahmen an der Studie teil.
Die Ergebnisse zum autokinetischen Test zeigten bei 30 Testpersonen keinen Einfluss von TETRA. Eine Pilotstudie an 10 Probanden hatte ebenfalls keinen Einfluss auf bewegungsabhängige Hirnpotentiale ergeben. Die Untersuchung weiterer EEG-Parameter wurde zwar angekündigt, bisher liegen hierzu aber keine Angaben vor. Die Ergebnisse der Kognitionstests wurden ebenfalls noch nicht publiziert. Es wurde bei allen Experimenten mit einem maximalen SAR-Wert von 1,35 Watt pro Kilogramm (gemittelt über 1 Gramm Gewebe) bzw. 0,832 Watt pro Kilogramm (gemittelt über 10 Gramm Gewebe) exponiert. Dieser Wert wurde für eine Eindringtiefe von etwa 17 Millimeter berechnet und entspricht in etwa dem Wert in der Hirnrinde. An der Kopfoberfläche betrug der SAR-Wert um 2 Watt pro Kilogramm.
Tabelle: Zusammenfassung der verschiedenen Studien und ihrer Ergebnisse
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Publikation |
Exposition |
Biologisches System
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Untersuchte Endpunkte |
Ergebnisse |
Green et al. 2005
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TETRA 380,89 MHz mit 17,6 Hz gepulst
SAR: 5 - 400 mW/kg |
Hirnzellen und Herz-Muskelzellen der Ratte
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- Kalzium-Konzentration
- Kalzium-Einstrom
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Kein Effekt
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Barker et al. 2007
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GSM, TETRA
SAR: 1,4 W/kg |
Gesunde Testpersonen
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- Blutdruck, Herzratenvariabilität
- Konzentration von Adrenalin
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Kein Effekt |
Smith et al. 2005 |
TETRA 381 MHz, mit 17,6 Hz gepulst
SAR: 1,4 W/kg |
Gesunde Testpersonen
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- Befindlichkeit
- Symptome
- Intelligenz
- Persönlichkeitsmerkmale
- Reaktionsfähigkeit
- Aufmerksamkeit
- Gedächtnis
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semantisches Kurzzeitgedächtnis verschlechtert
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Nieto-Hernandez et al. 2010
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TETRA 385,25 mit 17,6 Hz gepulst
SAR 1,3 W/kg |
Testpersonen, gesunde und elektrosensible Personen
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Mehr Symptome beim ungepulsten Signal
Kein Erkennen der Exposition
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Airwave Health Monitoring Programme 2006
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variable Exposition durch Endgeräte im beruflichen Alltag
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Polizisten aus England, Wales und Schottland, gesunde und elektrosensible Personen
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- EEG, kognitive Funktionen und Befindlichkeit
- Gesundheit im Langzeitverlauf
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nicht beendet
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Wallace et al. 2010
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TETRA-Basisstationssignal 420 MHz
SAR: 271 μW/kg |
Testpersonen, gesunde und elektrosensible Personen
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- Herzfrequenz
- Blutdruck
- Hautleitfähigkeit
- körperliche Beschwerden
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Bei Verblindung: kein Effekt;
unverblindet: mehr und stärkere Symptome unter TETRA bei Elektrosensiblen |
Wallace et al. 2011
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TETRA-Basisstationssignal 420 MHz
SAR: 271 μW/kg |
Testpersonen, gesunde und elektrosensible Personen
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- Kurzzeitgedächtnis
- Arbeitsgedächtnis
- Aufmerksamkeit
- Herzfrequenz
- Blutdruck
- Hautleitfähigkeit
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kein Effekt
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Riddervold et al. 2010
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TETRA, 420 MHz
SAR: 2 W/kg |
Gesunde Testpersonen
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- Gedächtnis
- Reaktionszeit
- Symptome
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Kein Effekt |
Eggert et al. 2002
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TETRA 380,25 MHz; 17,65 Hz gepulst
SAR: 35mW/g |
Gesunde Testpersonen |
- Kognitionstests
- Befindlichkeit
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Kein Effekt |
Ullsperger et al. 2003
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TETRA 380,25 MHz; 17,65 Hz gepulst
SAR: 35mW/g |
Gesunde Testpersonen
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Kein Effekt
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Aktuelle Forschung zu TETRA
Um wissenschaftliche Unsicherheiten bei der Bewertung der Exposition durch TETRA- Anwendungen weiter zu reduzieren, hat das BfS in Zusammenarbeit mit der BDBOS in jüngster Zeit Forschungsvorhaben durchgeführt:
- Probandenstudie zur Untersuchung des Einflusses der für TETRA genutzten Signalcharakteristik auf kognitive Funktionen
- TETRA: Modellierung von SAR-Werten im gesamten Körper und detailliert im Kopfbereich unter besonderer Berücksichtigung des Auges
Das Projekt ist abgeschlossen. Der Abschlussbericht liegt zum Download in DORIS, der Online-Bibliothek des BfS, vor.
Literatur
"Airwave health monitoring programme, Home office pilot report", 2006, Imperial College London
Barker AT, Jackson PR, Parry H, Coulton LA, Cook GG, Wood SM (2007) The effect of GSM and TETRA mobile handset signals on blood pressure, catechol levels and heart rate variability. Bioelectromagnetics 28(6): 433 – 438
Eggert S, Hentschel K, Ruppe I, Neuschulz H, Kaul G, Goltz S, Kersten N(2002) Influence of electromagnetic fields emitted by handheld mobile radio of the tetra system on cognitive performance and well-being of humans.
Bioelectromagnetics Society Annual Meeting, Quebec, Canada.
Green AC, Scott IR, Gwyther RJ, Peyman A, Chadwick P, Chen X, Alfadhl Y, Tatterstall JE (2005) An investigation of the effects of TETRA RF fields on intracellular calcium in neurones and cardiac myocytes. Int J Radiat Biol. 81(12): 865 – 885
Nieto-Hernandez R, Williams J, Cleare AJ, Landau S, Wessely S, Rubin GJ (2010) Can exposure to a terrestrial trunked radio (TETRA)-like signal cause symptoms? A randomised double-blind provocation study. Occup Environ Med. DOI 10.1136/oem.2010.055889
NRPB (2001) Possible health effects from terrestrial trunked radio (TETRA). Report of an advisory group on non-ionizing radiation.
Riddervold IS, Kjærgaard SK, Pedersen GF, Andersen NT, Franek O, Pedersen AD, Sigsgaard T, Zachariae R, Mølhave L, Andersen JB (2010) No effect of TETRA hand portable transmission signals on human cognitive function and symptoms. Bioelectromagnteics 31(5):380 - 390
Smith RN, Tattersall JEH, Bowditch SC, Holden SJ, Green AC, Scott IR, Harrison PK, Low DA, Smith SJR, Grose RI, Mifsud NCD (2005) An Investigation of the Effects of the Airwave TETRA Signal on Cellular Calcium and Brain Function. Dstl/CR15728 Issue 1.0 Biomedical Sciences Dstl Porton Down, Salisbury. Home Office under Order/ Contract reference CS652
Wallace D, Eltiti S, Ridgewell A, Garner K, Russo R, Sepulveda F, Walker S, Quinlan T, Dudley S, Maung S, Deeble R, Fox E (2010) Do TETRA (Airwave) Base Station Signals Have a Short-Term Impact on Health and Well-Being? A Randomized Double-Blind Provocation Study. Environ Health Perspect. 118(6):735 - 734
Wallace D, Eltiti S, Ridgewell A, Garner K, Russo R, Sepulveda F, Walker S, Quinlan T, Dudley S, Maung S, Deeble R, Fox E (2011) Cognitive and physiological responses in humans to a TETRA base station signal in relation to perceived electromagnetic hypersensitivity. Bioelectromagnetics, DOI 10.1002/bem.20681
Ullsperger P, Fruede G, Erdmann U, Eggert S (2003) Influence of electromagnetic fields of the tetra communication system on bioelectrical brain activity of healthy participants. Bioelectromagnetics Society Annual Meeting, Hawaii, USA |
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